BUND fordert ganzheitliche Betrachtung
Die UNESCO hat dem Land Rheinland-Pfalz die Erstellung eines Masterplans für das Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ auferlegt. Der BUND erwartet, dass nun ein ganzheitlicher Lösungsansatz für die vielfältigen Probleme des Mittelrheingebietes in Angriff genommen wird. Statt weiterhin mit der Brückendiskussion von den eigentlichen Problemen abzulenken, müssen vielmehr sofort Maßnahmen in Angriff genommen werden.
Nach Analyse des Beschlusstextes des UNESCO-Welterbekomitees aus Brasilia kann der BUND nicht erkennen, dass dort „grünes Licht“ zum Bau der Brücke gegeben worden sei. Vielmehr werden in dem Dokument lediglich die Aussagen des Landes zitiert, ohne sie sich selbst zu Eigen zu machen. Darüber hinaus verweist es auf Mängel und Zielkonflikte und endet schließlich mit der dringenden Forderung, Zukunftsvorstellungen für das Welterbe sowie ein Maßnahmenkonzept zu entwickeln. Bis zur nächsten Sitzung im Jahr 2011 muss dem Welterbekomitee ein Zwischenbericht vorgelegt werden. Erst am Ende dieses Prozesses, wenn der Masterplan komplett vorliegt und in ganzheitlicher Betrachtung nachgewiesen wird, wie Gefahren von den Schutzgütern abgewehrt werden können, steht die Entscheidung, ob die geplante Brücke überhaupt Welterbe-verträglich umsetzbar ist.
Der BUND wertet dies als klares Signal, dass sich das Welterbekomitee alle Optionen offen hält. An keiner Stelle erteilt das Welterbekomitee seine Zustimmung zum Brückenbau. Dr. Erwin Manz (BUND-Landesgeschäftsführer) erklärt: „In dem derzeitigen Schwebezustand darf nicht weiter auf die in weiter Ferne befindliche Brücke gestarrt werden. Vielmehr müssen die Lähmungsstarre aufgegeben, konkrete Problemlösungen in Angriff genommen und die Qualität der Schutzgüter verbessert werden.“
Der BUND setzt große Hoffnungen in den nun zu erstellenden Masterplan. Manz erläutert: „Die nun eröffnete Planungsphase muss als große Chance begriffen werden, um endlich die Alleinstellungsmerkmale des Tales zu schärfen. Wir wünschen uns eine Entwicklung im Rheintal, die den dort lebenden Menschen hilft, die einzigartige Schönheit erhält, neue Menschen in das Tal bringt und der höchsten UNESCO-Auszeichnung ‚Welterbe’ die ihr gemäße Bedeutung zukommen lässt.“ Die großen, untereinander eng verwobenen Probleme müssen endlich unter ganzheitlicher Betrachtung in Angriff genommen werden. Es kann und muss sofort damit begonnen werden.
1. Verbesserung der Lebensbedingungen durch Lärmreduktion
Die Reduzierung von Bahn- und Straßenlärm muss die zentrale Aufgabe von allen Akteuren sein. Da denkbare Alternativtrassen für den Güterverkehr allenfalls über lange Zeiträume realisierbar sind, muss der Einsatz von modernen, emissionsarmen Fahrzeugen die höchste Bedeutung zukommen. Lärmschutzwände dürfen nicht zur Zerstörung des Landschaftsbildes und von Blickbeziehungen führen.
Die Konzentration des Autoverkehrs auf eine zentrale Rheinquerung würde zu zusätzlichen Lärmemissionen im Tal führen und muss vermieden werden.
2. Mobilitätskonzept unter Einbeziehung der natürlich und historisch gegebenen Achsen
Seit Jahrhunderten ist die Längsachse die zentrale Mobilitätsachse, Querbeziehungen waren immer vielfältig und dezentral vorhanden. Die Funktionen von Hauptachse und dezentralen Querungen sind weiterzuentwickeln und zu stärken. In der Längsachse gilt es den schienengebunden ÖPNV weiter zu stärken und besser an die nahe gelegenen Verdichtungsräume Rhein-Main und Köln-Bonn anzubinden. An der Zentralachse sind die Anschlussstellen und Querverbindungen besser anzubinden. Dies bedeutet, dass sowohl Busverbindungen auf die angrenzenden Höhen sowie Fährverbindungen über den Strom optimiert werden müssen. Die Querungsmöglichkeiten müssen bedarfsgerecht verbessert und eine 24h-Fähre sofort eingerichtet werden.
3. Erhaltung der Kulturlandschaft als Grundlage der Biodiversität
Mit seinen trocken-warmen Offenlandbiotopen und dem engen räumlichen Kontakt zu Felsbiotopen, Wäldern, Bachtälern und dem Strom stellt das Mittelrheintal einen Hot-Spot der Biodiversität in Deutschland dar. Es hat sich eine grandiose Vielfalt des Lebens ausgebildet, die als Wert selbst zu erhalten ist, aber auch als Erfahrungs- und Erholungsraum für Menschen von unersetzlicher Bedeutung ist. Die Offenhaltung der Wiesen und Weinbergsbrachen ist anspruchsvolle Aufgabe, die mit hoher Priorität betrieben werden muss.
Flächeninanspruchnahme von naturnahen Uferbereichen, zusätzliche Versiegelung oder gar die Zerstörung von Seitentälern für neue Zufahrtsstraßen müssen unbedingt vermieden werden.
4. Stabilisierung der Wirtschaftskraft durch Tourismusförderung
Die Kulturlandschaft sowie romantische Städte, vielfältige Baudenkmäler und Burgen sind neben dem Strom selbst die zentralen Säulen für die örtliche Wirtschaft, die entscheidend vom Tourismus abhängig ist. Schiffsverkehr, wie auch die dezentrale Querungsmöglichkeiten sind bedeutende Attraktionen. Störungen, wie der Lärm, und Gefährdungen, wie die zunehmende Verbuschung der Rheinhänge, müssen dringend verringert werden.
Die optische Beeinträchtigung durch das neue Brückenbauwerk, der Wegfall von kleinräumigen Fährverbindungen oder gar die Zerstörung von Natur durch neue Bauwerke führen zur Schädigung der Erholungslandschaft und müssen vermieden werden.
Viele Menschen sind heute stressgeplagt. Sie suchen Ruhe, Entschleunigung, kulturellen und kulinarischen Genuss, schöne Landschaft und Bausubstanz. Das Mittelrheintal hat all dies zu bieten.