Gutachten der RWTH Aachen hat das Welterbekomitee nicht überzeugt – Tunnel könnte zulässige Alternative sein
In einer ausführlichen Stellungnahme untersuchen Wissenschaftsverbände den Beschluss des Welterbekomitees vom 28. Juli 2010 und die in der bisherigen Debatte nicht berücksichtigte Begründung. Diese sei entscheidend für das Verständnis des Textes und dessen Auslegung. Verständnisprobleme werden durch die Landesregierung bereits eingestanden. Anders als eine Brücke könnte ein Tunnel Zustimmung des Welterbekomitees finden. Eine solche Alternative sei schon in den Beschlüssen zu Dresden angelegt.
Bonn, Florenz, Hamm: Die im Mittelrheintal geplante Brücke bei St. Goar hat wenig Aussicht auf Akzeptanz bei der UNESCO, so ein Ergebnis der gemeinsamen Stellungnahme von DGUF, UVP-Gesellschaft und CIVILSCAPE. Die Visualisierungsstudie der RWTH Aachen „enthält kein überzeugendes Argument, wie der Talabschnitt zwischen Fellen und Wellmich – mit Brücke – noch zum Outstanding Universal Value (OUV) beitragen könnte“. Das schreibt das Welterbekomitee der UNESCO in seiner Begründung zum Beschluss vom 28. Juli 2010. Der betreffende Talabschnitt sei „notwendiger Teil einer insgesamt harmonischen Landschaft“, er könne also nicht isoliert betrachtet werden.
Gutachten der RWTH Aachen hat nicht überzeugt – OUV könnte verloren gehen
Damit hat sich das Welterbekomitee in der Bewertung des geplanten Eingriffs in die historische Kulturlandschaft weitestgehend festgelegt. „Eine Brücke an dieser Stelle würde bedeuten, dass der entscheidende Außergewöhnliche Universelle Wert (OUV) und damit der Welterbetitel für das gesamte Mittelrheintal verloren gehen würde“, sagt Dr. Christian Möller, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte. Am Planungsziel einer Brücke sollte daher realistisch nicht festgehalten werden.
Tunnel könnte Zustimmung finden – Erstaunen auf internationaler Ebene
Im Gegensatz zur Brücke sehen die Verbände in einem Tunnel eine mögliche Option für eine feste Rheinquerung. „Ein Tunnel hat nach den vorliegenden Umweltprüfungen moderate Auswirkungen auf das Welterbe Oberes Mittelrheintal, er könnte Zustimmung finden“ sagt Dr. Gerhard Ermischer, Generalsekretär der Internationalen Vereinigung CIVILSCAPE zur europäischen Landschaftsschutzkonvention.
Der Fall der Mittelrheinbrücke wurde bei der jüngsten Jahrestagung von CIVILSCAPE in Florenz diskutiert. „Auf internationaler Ebene erstaunt und irritiert, dass nach dem Desaster von Dresden erneut von Politik und Verwaltung in Deutschland versucht wird, eine Brückenlösung in einer Welterbelandschaft durchzusetzen“, so Dr. Ermischer weiter. Das Wichtigste sei jetzt eine echte und intensive Bürgerbeteiligung, bei der alle Karten auf den Tisch gelegt werden müssten, so z.B. die Umweltverträglichkeitsstudie von Cochet. Man müsse aktiv auf die Bürger zugehen und sie zur Mitarbeit einladen und dürfe sich nicht hinter formalen Prozeduren verschanzen. In diesem Zusammenhang geben die Verbände ihrem Erstaunen und Ihrer Besorgnis Ausdruck, dass die Landesregierung die Bedeutung des Begründungstextes zum Beschluss des Weltrbekomitees nicht zu erkennen vermöge. Damit sei der Weg nach Dresden oder Stuttgart 21 vorgezeichnet.
Beschlüsse zu Dresden beschreiben rechtliche Vorgaben
Die Verbände weisen insbesondere auf den Fall der Waldschlößchenbrücke in Dresden hin, der fachlich und sachlich in Bezug auf Art und Weise sowie Folgen des Eingriffs in die Kulturlandschaft zu vergleichen ist. „Eine Tunnellösung für das Mittelrheintal liegt bereits aufgrund der Beschlüsse zu Dresden nahe“, so Dr. Frank Scholles, Vorstand der UVP-Gesellschaft. „Eine gleiche Behandlung sei für die Glaubwürdigkeit des Welterbeprogramms von entscheidender Bedeutung“, ergänzt Dr. Christian Möller mit Hinweis auf das
vorrangige strategische Arbeitsziel des Welterbekomitee. Die UVP-Gesellschaft will sich zukünftig verstärkt den Verfahrens- und Methodikfragen zum Welterbe Mittelrheintal widmen.
Eingeständnis von Verständnisproblemen
Dass es auf Seiten der Landesregierung tatsächlich Verständnisprobleme mit dem Beschluss der UNESCO gebe, werde auch mit einem Hintergrundtext vom 29. Oktober deutlich. Hier fragt die Landesregierung nach dem Sinn der Formulierung in Punkt 5: Das Welterbekomitee stellt darin fest, „dass der Vertragsstaat der Auffassung sei, dass die Entwicklung eines Masterplans für das Welterbe unentbehrlich ist, zumal die geplante Rheinbrücke nur einen Baustein vieler in diesem Zusammenhang notwendiger Maßnahmen darstellt.“ Tatsächlich wird hier betont, dass nur der Vertragsstaat die Notwendigkeit einer Brücke sehe und niemand sonst. Vor allem aber gehe es darum den Masterplan einzufordern und zu erfahren, welche weiteren Maßnahmen und Veränderungen im Oberen Mittelrheintal geplant seien, um diese gesamthaft beurteilen zu können.
Ampel steht auf „Dunkelgelb“
Grundsätzlich geben die Verbände zu bedenken, dass zunächst auch Fachleute den Beschluss fehlgedeutet hätten. Hier bestünde aber nun Einigkeit in der Bewertung. „Von einem ‚Grünen Licht‘ kann keine Rede mehr sein, die Ampel steht auf Dunkelgelb“, so Dr. Scholles weiter. Entscheidend für das Verständnis sei die erst später bekannt gewordene Begründung zum Beschluss, deren zurückhaltender britischer Diplomatie man sich nicht verschließen dürfe. Die Begründung trage inhaltlich keine Freigabe für eine Mittelrheinbrücke, im Gegenteil. „Wir schlagen weiterhin vor, dass man sich intensiv mit unserer Stellungnahme auseinandersetzt. Sie soll einen Beitrag leisten, um den gesellschaftlichen Diskurs über das Welterbe Oberes Mittelrheintal in die richtige Richtung zu bewegen“, so Dr. Christian Möller, der abschließend anmerkt, dass man nur der Überbringer der Nachricht sei. Nach Überzeugung der Verbände sollte man nun über die vom UNESCO-Welterbekomitee angedeutete Alternative eines Tunnels oder die Fähren diskutieren, die ausbaufähig und vor allem Bestandteil des lebendigen Welterbes seien. Hier seien vertiefende Prüfungen erforderlich.
Downloads (PDF-Dateien):
- Pressemitteilung vom 2. November 2010 mit Erläuterungen
- Stellungnahme der Verbände
- Hintergrundinfo Beschluss Brücke Landesregierung
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Kontakt: Dr. Christian A. Möller, Tel.: 0151 12 51 44 97 – Mail: christian.moeller[at]dguf.de